Ein künstlerischer Blick aus dem All: Supraspectives verbindet die faszinierende Ästhetik von Satellitenbildern mit einer kritischen Auseinandersetzung über Überwachung und Weltraumnutzung.
Das Künstlerduo Quadrature hat für Supraspectives die Bahndaten von 590 aktuellen und ehemaligen Spionagesatelliten gesammelt – ein Drittel davon ist mittlerweile Weltraumschrott, dennoch umkreisen sie weiterhin die Erde und überfliegen uns regelmäßig.
Die Installation berechnet die Flugbahnen dieser Satelliten in Echtzeit und rekonstruiert spekulativ, was sie „sehen“ könnten. Daraus entstehen künstlerisch verfremdete Bildwelten, die teils Satelliten in der Nähe des Ausstellungsortes zeigen, teils besonders interessante oder ungewöhnliche Aufnahmen aus dem All.


Eine eigens gebaute motorisierte Antenne auf dem Dach empfängt zudem live die Funksignale der gerade überfliegenden Satelliten und wandelt sie in Klänge um. Jedes Mal, wenn eine Verbindung hergestellt wird, erscheinen auf dem Bildschirm Informationen wie Herkunftsland oder Startjahr des Satelliten.
Supraspectives lebt von einem spannungsvollen Gegensatz: der faszinierenden Ästhetik der Erde aus der Ferne und dem kritischen Bewusstsein, dass viele dieser Blicke militärischen oder Überwachungszwecken dienen.
Entstanden ist die Arbeit im Medialab Tabakalera, in Kooperation mit Ars Electronica sowie den Astrophysiker*innen Silvia Bonoli und Raul Angulo vom Donostia International Physics Center (DIPC), mit Unterstützung des Astronomie-Teams des Medialabs und der lokalen Amateurfunk-Community.


Datenbasis:
Mike McCant, Gunter’s Space Page, satellitenwelt.de u. v. m.
Video
Interview: „Wir fühlen uns ein bisschen wie EntdeckerInnen“
2016 sprach Ars Electronica mit den Künstler*innen Juliane Götz, Sebastian Neitsch und dem inzwischen nicht mehr im Kollektiv aktiven Jan Bernstein über ihre Faszination für den Weltraum und ihre geplante Residency an den ESO-Standorten in Chile. Obwohl darin nicht direkt über Supraspectives gesprochen wird, greifen viele Gedanken und künstlerische Ansätze, die damals formuliert wurden, auch in diesem Werk.
Das vollständige Interview aus dem Jahr 2016 mit Quadrature können Sie auf dem Ars Electronica Blog nachlesen:
Hier ein paar interessante Auszüge:
„Der Weltraum als Ort ist real und gleichzeitig nicht greifbar. Seine Größe und Unendlichkeit lassen ihn zu einer unglaublich abstrakten, fast unwirklichen Idee werden […]. Diese Grenzen des Möglichen und des Machbaren, des Verstandes und des Wissens interessieren uns am meisten.“
– Jan Bernstein
Gerade Satelliten sind für Quadrature ein zentrales Motiv – damals wie heute:
„Wir als Menschheit haben unseren Wirkungsbereich inzwischen von der Erde bis ins Weltall hinein ausgedehnt. In Form von Satelliten haben wir eine neue Ebene an Infrastruktur geschaffen, die uns ständig umkreist, uns hilft und uns beobachtet.“
– Sebastian Neitsch
Auch Jan Bernstein unterstreicht die physische Realität dieser Technik:
„Und dann sieht man nachts plötzlich über sich eine dieser Maschinen leuchtend vorüber fliegen und weiß: die sind da tatsächlich.“
Juliane Götz betont zudem den forschenden Charakter ihrer Arbeit:
„Tatsächlich fühlen wir uns selbst ein bisschen wie EntdeckerInnen […], die in eine abgelegene, schwer zugängliche Gegend vordringen dürfen, um dort Einblick in eine andere Welt zu erhalten.“
Über die Künstler*innen

Quadrature
Quadrature ist ein in Berlin ansässiges Künstlerduo (bis 2016 ein Trio), dessen künstlerische Forschung auf Daten und physikalischen Experimenten basiert. Für Juliane Götz und Sebastian Neitsch ist Technologie ein Werkzeug, um Realitäten zu „lesen“ und zu „schreiben“. Ihre transdisziplinäre Praxis umfasst zeitbasierte Performances, Installationen, skulpturale Arbeiten und zweidimensionale Werke.
Seit einigen Jahren beschäftigen sie sich intensiv mit den Methoden und Geschichten der Erforschung unserer Welt und des Kosmos. Das Universum begreifen sie als zugleich ungreifbaren und sehr realen Ort, an dem elementare Emotionen und komplexe wissenschaftliche Theorien aufeinandertreffen. Die Grenzen menschlicher Wahrnehmung und ihrer materiellen Repräsentationen ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr Werk.
Für ihre Arbeiten wurden sie mehrfach ausgezeichnet, u. a. beim Prix Ars Electronica (2015, 2018), mit Stipendien des Kunstfonds Bonn, der Akademie Schloss Solitude, von La Becque sowie mit Fellowships des PODIUM Esslingen und des Hertz-Lab am ZKM Karlsruhe. Ihre Werke sind weltweit in Ausstellungen und auf Festivals zu sehen.